Dienstag, 16. November 2010

Zum Sonnentor von Machu Picchu

11. November 2010

Wir starten etwas spaeter, es soll der einfachste Tag des Trails werden. Wir haben keine riesigen Paesse zu ueberwinden, nur leichte Anhoehen zu nehmen. Wir sind guten Mutes und freuen uns auf ein Camp mit warmen Duschen!

Wir sehen tolle Inka Ruienen, die im Nebel der eingezogenen Wolken noch mystischer wirken.



Unser Camp, das letzte fuer diesen Trek, hat etwas von 70er Jahre Bergstation einer Seilbahn in Oesterreich und real existierendem Sozialismus des Ostens. Betonwaende mit Neonroehren, Plastiktische mit Gartenstuehlen. An der Kasse muss man sich Bons kaufen, um damit dann an der Bar ein Bier zu erhalten.
Die Duschen sind in der Tat warm - so warm wie es ein elektrischer Durchlauferhitzer im Duschkopf eben zulaesst.
Aber wir sind guter Stimmung und feiern ein bisschen unseren fast abgeschlossenen Trek ueber den Trail der Inka nach Machu Picchu.
Wir verabschieden uns mit einer kleinen Zeremonie von unseren Portern und Koechen, ohne die wir den Trek so nie geschafft haetten.
Dann gehen wir frueh schlafen, den morgen werden wir noch frueher als sonst aufstehen muessen.
Ich trete vor mein Zelt, es ist noch voellig dunkel und mondlos. Als ich in den Himmel schaue, werde ich schier erschlagen von der Anzahl der Sterne. Ich versuche den Grossen Wagen zu finden, aber in der Masse der Lichter am Himmel ist es schier unmoeglich etwas anzumachen. Die Milchstrasse zieht sich breiter Steifen aus winzigen Lichtern eingebettet in einen Nebel aus noch viel kleineren Punkten wie ein weisser Schal quer ueber das Firmament. Ich habe noch nie so viele Sterne auf einmal gesehen.
Kein Wunder, dass die Inka keine Bilder durch verbinden einzelner Lichtpunkte sahen, sondern vielmehr Figuren in den dunklen Bereichen des Himmels ausmachten. Hier ein Llama, dort einen Panther oder eine Schlange.

Wir muesse noch bis 5:30 am letzten Check Point des Trails warten und werden erst mit dem ersten Sonnenlicht auf die finale Etappe nach Machu Picchu gelassen.
Endlich wird der Trail von den Rangern freigegeben und wir machen uns - fast woertlich - zum Endspurt auf. Wir wollen so frueh wie moeglich am Sonnentor sein, noch vor den anderen Wanderern und die Touristen, die mit den ersten Bussen um fuenf Uhr aus dem Dorf Aguas Calientes hinauf zur verlorenen Stadt kommen.
Es ist ein grandioser Morgen mit strahlend blauem Himmel. Der Sonnengott der Inka Inti meint es gut mit uns.


12. November 2010
Wir werden um 3:30 geweckt - heute ohne Cocatee im Zelt.
Schnell packen wir unsere Sachen zusammen, damit die Porter das Camp abbrechen koennen. Sie muessen noch im Dunkeln den weg in's Tal antreten, um ihre Passage zurueck nach Cuzco zu schaffen.
Nach knapp zwei Stunden steigen wir den letzten Anstieg zu Intipunku, dem Sonnentor nach Machu Picchu, hinauf.
Und dann liegt sie vor uns, strahlend schoen in der jungen Sonne.
Machu Picchu, die Stadt in den Wolken.

Ein wahrhaft erhabener Moment, voller Euphorie.
In der dritten Klasse war auf dem Deckel unseres Erkundebuchs ein Bild - dieses Bild - von Machu Piccu "verlorene Stadt der Inka". Seit dem wollte ich diese sagenumwogene Stadt hoch oben den Anden Perus mit eigenen Augen sehen.
Ich kann es kaum fassen, dass es jetzt, kaum 28 Jahre spaeter, soweit ist.

Schnell machen wir noch ein Gruppenfoto und ein paar Schnappschuesse, die unseren harten Weg nach Intipunku zeigen sollen, bevor die anderen Wanderer des Trails eintreffen. Es wird voll am Sonnentor.


Wir steigen hinab nach Machu Picchu und sind ueberwaeltigt von Vielzahl der Haeuser aller Art, Tempel und Terassen zum Ackerbau. Alles auf der Sitze dieses Bergs auf ueber 2300m Hoehe, umgeben von schieren Felswaenden und Steilhaengen hinab zum Fluss Urubamba.

Wir erreichen den Checkpoint zum gegenueber gelegenen Berggipfel Huayna Picchu. Wir haben Glueck und duerfen als eine von 200 Besuchern direkt aufsteigen, um die Stadt ueber den Wolken aus einer ganz besonderen Perspektive zu sehen.
Wir lustwandeln noch weiter durch die Felsenstadt. Eigenartig nur, dass nur wenige Haeuser die kunstvolle Praezision bei der Zusammenfuegung der einzelnen Felsbloecke aufweist.

Wir geniessen die Atmosphaere - die Besucheranzahl haelt sich jetzt zur Nebensaison, kurz vor der Regenzeit, in Grenzen.

Ein letztes Gruppenfoto bevor wir am fruehen Nachmittag den Bus in's Tal nach Aguas Calientes nehmen.
Mir kommt es wie Betrug an der Sache vor, dass wir das letzte Stueck nun mit dem Bus fahren. Aber der Trail endete ja am Sonnentor weit ueber uns.


Urspuenglich war mein Plan noch eine weitere Nacht in Aguas Calientes zu bleiben und noch einmal nach Machu Picchu hinauf zu fahren.
Aber als ich das Dorf und mein teuer bezahltes Zimmer fuer die Extranacht sehe, beschliesse ich, mein Zugticket zu aendern und mit den anderen zurueck nach Cuzco zu fahren.
Es ist beeindruckend, wie vier Tage gemeinsam ertragene Strapazen und geteilte Euphorie vor kurzem noch ganz fremde Menschen zusammenschweissen koennen.
Ich will unser gemeinsames Abenteuer nicht allein in deinem Dreibettzimmer mit Fenster zum Hausflur enden lassen.

Auf der Fahrt mit dem Panoramazug die Schlucht des Urubamba hinauf beginnt es zu regnen. Ich teile meinen Wagon mit einer Gruppe englischer Renter, die die Fahrt im Zug ausgelassen feiern. Das Zugpersonal veranstaltet eine Modenschau mit Kleidung aus echter Alpaca Wolle, die Peru Rail onbord verkauft.
Ich haenge meinen Traeumen und Erinnerungen an den Trek und meiner neuen Freunde nach, die gemeinsam im Zug eine halbe Stunde vor mir sitzen.

Die anschliesse Taxifahrt von Ollantaytambo nach Cuzco wird ein Abendteuer fuer sich. Bei voelliger Dunkelheit und sintflutartigem Regen faehrt mein Fahrer die fast anderthalb-stuendige Strecke fast blind. Wie alle anderen auch hat er das Fernlicht eingeschaltet, um es erst 50m vor einem entgegenkommenden Fahreug abzublenden, aber noch bevor die Autos einander passiert haben wieder einzuschalten.
Voellig uebermuedet erreichen wir im stroemenden Regen das Hotel, in dem auch die meissten anderen unserer Gruppe wohnen. Aber als der Rest der Truppe eintrifft, sind alle zu muede, um unser gemeinsames Abenteuer noch etwas zu feiern.
So setze ich mich dann doch allein zu zwei aelteren Herren aus den Niederlanden an den offenen Kamin, trinke einen Cocatee und esse eine Kleinigkeit. Dann gehe auch ich schlafen.