Donnerstag, 18. November 2010

Entscheidung am Huayna Potosi

16./17. November 2010

Eine der ganz grossen Dinger auf dieser Reise sollte die Besteigung eines richtig hohen Bergs werden. Und davon hat hier in den Hochanden von Peru und Bolivien eine ganze Menge. Ich entschliesse mich fuer den Huayna Potosi unweit von La Paz. Mit seinen 6.088m gilt er als einer der leichtesten 6.000er, was freilich nur relativ ist.
Ich treffe meine Gruppe am fruehen Vormittag in der Agentur nur wenige Meter von meinem Hotel in La Paz. Es ist ein Paar aus Lausanne in der Schweiz, unsere beiden Guides und ich. Wir stellen unsere Ausruestung zusammen. Schneehose, Gletscherstiefel, Steigeisen, Klettergurt, Eisaxt, Helm, die essentiellen Dinge eines solchen Unternehmens im Hochgebirge.
Gut gelaunt machen wir uns auf den gut zweistuendigen Weg in Richtung Basis Lager.
Wir verlassen La Paz und El Alto und fahren durch duerre Steinwueste in Richtung der Cordillera Real mit ihren schneebedeckten Gipfeln. Endlich sehen wir in der Ferne unser Ziel fuer heute und den naechsten Tag. An einem kleinen Friedhof machen wir halt und bestaunen den schaurig schoenen Motivkontrast. Mit wird das erste mal wirklich bewusst, wie hoch dieser Berg ist!
Wir erreichen das Basis Lager auf 4.700m und essen zu Mittag.
Wie so oft auf dieser Reise ist das Essen am unteren Ende. Ein abgehacktes Stueck gegrillten Huhns mit gesalzenem Reis. Zum Nachtisch ein Stueck gebackene Banane.
Ich essen, nicht weil es schmeckt, sondern weil ich sicher jedes bisschen Kalorien fuer den Aufstieg gebrauchen kann.

Dann beginnen wir unseren Weg zum High Camp.
Es ist schoenstes Wetter. Strahlende Sonne, keine Wolke. Der Himmel ein tiefes Blau. Wirdurchsteigen die Seitenmoraene des Gletschers - nur im unteren Teil als ausgetretener Weg. Weiter oben fuehrt die Route fast frei ueber die rostbraunen Felsen. Ich konzentriere mich auf jeden Schritt, um nicht umzuknicken oder in eine Felsspalte zu treten. Endlich erreichen wir nach gut drei Stunden Aufstieg das High Camp, unserem Lager fuer die Nacht auf 5.200m Hoehe. Es spaeter Nachmittag. wir geniessen die Aussicht und versuchen unsere Kraefte fuer die kommende Nacht zu sammeln.
Kalter Wind kommt auf, trotzdem ist es draussen in der Sonne waermer als in den eisigen Mauern des unbeheizten Refugios.
Wir essen frueh zu Abend. Nudeln mit Fleisch.

Um sechs Uhr legen wir uns hin, um so viel wie moeglich Ruhe zu sammeln vor dem muehsamen Aufstieg.
Ich lage mich in voller Montur in meinen Schlafsack und ziehe ihn bis oben hin zu. Nach einer Weile schlafe ich endlich ein, wache aber nach rund einer Stunde wieder auf. Eiskalter Wind pfeift durch die Fenster und Ritzen im Dach des Refugios. Der Klogang vor die Tuer frostet mich weiter herunter. Ich bin froh wieder in meinem Schlafsack zu liegen, aber einschlafen kann ich nicht mehr.

Endlich ist es Mitternacht und es kommt Leben in unser Lager von 10. Wortlos packen wir unsere Sachen zusammen, ziehen schweren Stiefel an und zurren den Klettergurt sicher fest. Er wird spaeter im Zweifelsfall die Lebensversicherung sein, wenn es Waende aus gefrorenem Eis hinauf oder mit einem beherzten Sprung ueber Gletscherspalten heisst.
Wir essen noch einem eine Kleinigkeit, trinken eine Tasse Coca Tee, dann verlassen wir das Refugio.
Am Gletscher angekommen schnallen wir die Steigeisen an und beginnen in der stockfinsteren Nacht, die nur vom Licht des untergehenden Monds und unseren Stirnlampen erhellt wird, unseren Aufstieg. Es liegen fast 900 Hoehenmeter ueber Gletscher und Geroell vor uns.
Es dauert nicht lange und ich merke, dass dieser Aufstieg wirklich schwer werden wird. Die Luft ist duenn und kalt. Das Wasser in meiner Flasche in der Seitentasche meines Rucksacks beginnt einzufrieren. Ich kann nicht einschaetzen, welchen Fortschritt wir beim Aufstieg machen. Um uns herum nur dunkle Nacht. Ich kann nur den Boden vor mir im Schein meiner Lampe erkennen und die Lichtpunkte am Kopf der anderen. Unsere Guides gehen mit schlafwandlerischer Sicherheit teils ohne eigenes Licht.
Als ich mich zu fragen beginne, ob ich den Gipfel wirklich erreichen werde, machen wir endlich eine erste Rast. Ich nehme meinen Rucksack ab, trinke etwas Eiswasser und essen einen steinhart gefrorenen Schokoriegel. Ich liege im Schnee des Gletschers, uber uns millionen von Sternen. Der Anblick des Kreuz des Suendens stimmt mich euphorisch. Jetzt bin ich finster entschlossen, mit bis zum Gipfel durchzubeissen.
Noch ehe ich meinen Schokoriegel fertig habe ist die Rast vorueber. Beim Aufbrechen schlinge ich den Rest hinunter in der Hoffnung, dass mir der Zucker zusaetzliche Kraft geben wird.
Nach einer gefuehlten Ewigkeit merke ich, wie mir der Aufstieg allmaehlig an die Substanz geht.
Ich bin sehr muede. Mir ist, als wuerde ich immer wieder einnicken, setze jedoch weiterhin einen Schritt vor den anderen.
Endlich wird es hell am Horizont und eine knappe Stunde spaeter geht die Sonne auf.
Ich schoepfe neuen Mut. Ich bin nicht mehr so muede und sehe mehr von der Strecke. Dafuer werde ich auch mehr der Gletscherspalten gewahr, die wir im Dunkeln mit einem grossen Schritt ueberquert haben. Jetzt kommen wir zu einer von gut einem Meter breite. Der Boden ist nicht zu sehen. Es ist klar, nur ein Weg fuehrt weiter zum Gipfel. Ein beherzter Sprung. Mein Guide geht als erster. Mit Leichtigkeit erreicht er die andere Seite. Jetzt holt er unser Seil dicht, um mich zu sichern. Ich stehe an der Kante, nie hat ein Meter weiter gewirkt. Ich nehme alle Kraft zusammen, springe so fest ich kann ab und erreiche gerade so die andere Seite. Ich spuehre den Zug am Seil und mache einen weiteren Schritt nach Vorn in Richtung meines Guides.
Wir sind dem Gipfel schon sehr nahe. Der Hoehenmesser zeigt 5.710m und nur noch 502mbar Luftdruck. Das sind deutlich weniger als die Haelft von normal. Mit Konzentration schaffe ich es im Knien meine Atmung in den Griff zu bekommen. Ich stehe auf und mache einen Schritt, atme zwei mal, mache einen weiteren Schritt, atme zwei mal. So steige ich wenige Meter weiter auf bevor ich wieder eine Rast machen muss. Aber ich bin festt entschlossen den Gipfel zu nehmen. Ich gehe weiter. Mir ist schlecht aber ich konzentriere mich auf die Atmung.
Wir klettern zwei Meter ueber eine Wand aus ineinander gerorener Eiszapfen. Jenseits des Eis ist eine weitere Spalte. Mein Guide haelt mich am kurzen Seil. MeinTrekingstock - bis hierher eine grosse Hilfe ist mir im Weg, genauso die Eisaxt. Irgendwie schaffe ich es mit den Steigeisen in der Wand halt zu finden und nehme die Wand. Schwer atmend knie ich am oberen Rand.
Mir ist schwindelig und ich sehe alles etwas gelber als normal. Zumindest kommt es mir so vor.
Ich stehe auf und schleppe mich weitere 10m den Berg hinauf. Ich sehe schon den Rand des Gletschers. Dann noch eine steile Felswand und darueber der Gipfel.
Ich gehe wieder auf die Knie.
Mein Guide fragt mich, ob ich wirklich weiter machen moechte.
Diese Frage stelle ich mir bereits seit fuenf Stunden.
Und bisher habe ich sie immer mit ja beantwortet.
Mein Guide erklaert mir den letzten Teil der Route. Noch bis an´s Ende des Gletschers, dann einen steilen Kamin hinauf und oben noch ein leichtes Stueck quer.
Mir faellt es schwer ueberhaupt aufzustehen und 10m am Stueck zu gehen. Wie soll ich einen Kamin durchklettern? In 6.000m Hoehe!
Schwer atmend liege ich im Schnee und waege die Optionen ab. Vielleicht schaffe ich es bis zum Kamin. Aber ich muss auch wieder zurueck. Ich muss den ganzen Weg wieder zurueck. Mir graut jetzt schon vor der Eiswand und der Sprungspalte.
Jede weitere Stunde hier oben macht meinen Rueckweg umso schwerer und damit auch gefaehrlicher.
Dann treffe ich meine Entscheidung.
Ich gebe auf und kehre um.
Der Altimeter zeigt 5.935m an. Nur 65m bis zur 6.000er Marke und nur 153m bis zum Gipfel. Aber ich kann nicht mehr. Und ich habe noch mehrere Stunden Abstieg vor mir.
Schweren Herzens sage ich meinem Guide, dass wir umdrehen. Ich glaube auch er ist enttaeuscht.
Jetzt gehe ich vorweg und stolpere meinen Weg in Tal.
Wir passieren die Eiswand und die Sprungspalte. Es faellt mir etwas leichter aber es kostet trotzdem eine Menge Ueberwindung.
Ich setze weiter einen Fuss vor den anderen. Stolpere immer wieder, falle und werde den Hang hinunter rutschend vom Seil gehalten.
Ich muss eine Pause machen. Neue Kraft sammeln.
Endlich kommen wir zu Haenge, die ich so noch nicht gesehen habe. Beim Aufstieg war es hier noch dunkel. Ich sehe weitere tiefe Spalten neben unserem Weg und grosse Wechten ueber uns.
Nach einer gefuehlten Ewigkeit kommt endlich unter uns das Refugio des High Camps in Sicht.
Ein letzter Hang. Ich kann im Schnee keinen Weg erkennen, aber mein Guide bedeutet mir hier lang oder dortt entlang zu gehen. Mir ist alles egal.
Endlich sind wir am letzten Gerollfeld vor dem Refugio. Ich nehme die Steigeisen ab und werde vom Seil geloest. Mein Guide geht voraus, aber ich weiss nicht, welche Route ich gehen soll. Ich sehe das Haus direkt vor mir keine 50m entfernt, aber ich weiss nicht, wie ich ueber die Felsen dort hin kommen soll.
Endlich erreiche auch ich das Refugio.
Ich schleppe mich in die Huette, werfe meinne Rucksack ab. Mit tauben Fingern versuche ich die schweren Stiefel auszuziehen. Dann krieche ich die Treppe hoch zu meinem Schlafplatz und rolle mich in meinen Schlafsack.
Aber ich bin zu erschoepft, zum Schlafen. Ich liege nur da mit geschlossenen Augen und atme tief ein und aus.
Nach einer halben Stunde raffe ich mich auf und packe meine Sachen zusammen. Wir muessen noch zum Base Camp absteigen. Weitere eineinhalb Stunden ueber Geroell und Fels.
Aber die Rast hat mir gut getan und der Abstieg faellt mir erstaunlich leicht.
Nach fast zwei Stunden erreichen wir das Basis Lager auf 4.700m. Das Paar aus Lausanne und die Guides feiern ihren erfolgreichen Aufstieg mir zwei grossen Falschen bolivianischen Biers. Ich schluerfe eine Cola.
Ich bin zutiefst frustriert.
Gut zwei Wochen bin ich schon in Hoehen von dreieinhalbtausend Meter und mehr. Ich bin den Pass der Toten Frau mit 4.200 auf dem Inka Trail gelaufen. Ich war zwischen Arequipa und Chivay auf einer Passhoehe von 4.700m und trotzdem hat es fuer diesen Gipfel nicht gelangt. Aber eine Stunde Schlaf vor einem grossen Aufstieg ist in dieser Hoehe eifach nicht genug.
Wir werfen unsere Sachen in das wartende Auto und fahren in Richtung La Paz. Hinter uns der Huayna Potosi, stolz und majesthaetisch. Heute war er staerker als ich. Nur wenige Meter, aber er hat gewonnen.

Von schwimmenden Inseln, Raeubernestern und dem hoechsten See der Welt

14. November 2010

Nach einem viel zu schnellen Abschied von meiner Lieblingsgefaehrtin auf dem Inka Trail und einer viel zu langen Busfahrt durch die peruanische Nacht erreiche ich das Staedchen Puno am Titikaka See. Es ist sechs Uhr in der Fruehe und die Strassen sind noch fast menchenleer. Nur ein paar halbstarke Jugendliche haengen bereits auf dem Plaza de Armas herum. Wer weiss, das die zu dieser Zeit schon - oder noch - hier her treibt. Die Geschaefte und Cafes sind noch geschlossen. Fehlanzeige also von wegen Fruehstueck in einem netten Laden. Der Peruaner fruehstueckt spaet - und der Backpacker in der Regel wohl noch spaeter...

Ich schlendere also in Richtung Hafen, weil es von hier ab sechs Uhr quasi stuendlich Booten zu den schwimmendne Inseln geben soll. Aber auch hier merke ich die Nebensaison und nahende Regenzeit. Das erste Boot nach Urus hat um 8:20 genuegend Interessenten, um auszulaufen.
Die schwimmenden Inseln selbst sind interessant. Die Bewohner stapeln und verbinden Schilf in rauen Mengen so, dass riesige Foesse entstehen. Die Gesamtzeit von drei Stunden fuer so einen Besuch ist jedoch sehr grosszuegig bemessen. Und so liege ich auf den Schilfinseln in der Sonne und nicke nach dem wenigen Schlaf im Bus immer wieder ein. Dass ich mir hierbei mal wieder einen Sonnenbrand hole merke ich erst spaeter.

Nach dem Mittagessen fahre ich mit einem ominoesen Backpackerbus weiter den See entlang in Richtung Bolivien. Wir erreichen das Grenzkaff und halten vor dem Schlagbaum von unserem Busbegleiter werden wir aufgefordert in der Wechselstube direkt vor unserer Bustuer peruanische Sol in bolivianische Bolivianos und darueber hinaus moeglichst noch ein Buendel Dollar zu tauschen. Die meissten Traveler kommen dieser Aufforderung nach. Ich selbst gehe zwei Haeuser weiter, wo es sogar einen Briefkasten fuer meine peruanischen Postkarten hat.

Der Grenzgang ist wie in Lateinamerika ueblich buerokratisch, aber dank meines europaeischen Reisepasses unproblematisch. Abmelden bei den Peruanern, dann zu Fuss durch's Niemandsland und anmelden bei den Bolivianern. Und wieder zwei Stempel mehr im Pass...

Endlich geht es weiter in das Raeubernest Copacabana, das rein garnichts mit dem bekannten Strand gemein hat - vom Namen einmal abgesehen.
Es ist ein Fischerdorf gone Touri Durchgangskreuz.
In meinem Hotel weiss man nichts von meiner Reservierung, aber im Nachbarhotel haben sie ein sehr schoenes Zimmer fuer mich und - dank Verzicht auf Eintrag im Gaestebuch - auch recht guenstig.

15. November 2010
Ich moechte mir vor meiner Weiterreise am folgenden Tag noch die Isla del Sol anschauen. Dummerweise kommen beide Boote auf die Insel erst abends wieder und mein Bus geht bereits um 13:30. So bleibt mir nichts anderes als den Aufenthalt hier als Reibungsverlust durch Selbstorganisation abzuschreiben und schaue mich noch so ein wenig im Oertchen um.


Die Kirch hat - trotz der bitteren Armut hier - einen gigantischen Hochaltar, barrock geschnitzt bis unter die Decke, vollstaendig vergoldet. Es verschlaegt mir schier die Sprache. Alles ist ueppigst mit duftenden Lilien in weiss und blau geschmueckt. Ich frage zwei alte Frauen, die neben mir den Bank sitzen, was es mit den Blumen auf sich habe. Morgen sein ein grosser Feiertag im Ort mit Prozession der heiligen Jungfrau hinunter zum See und Rundfahrt ueber's Wasser.
Zu dumm, dass ich bereits heute weiter fahre.

Vor der Kirche sind unzaehlige Staende mir allen moeglichen religioesen Artefakten, von Kerzen ueber Kruzifixe aller Art bis hin zu zahlreichen Marienstatuen in Silberimitat. Die Kette mit dem Inkaanhaenger, die ich mir nach dem Trek und Machu Picchu in Aguas Calientes gekauft habe, habe ich bereits verloren. Der duenne Faden hat meinem Leben hier nicht lange Stand gehalten. Ich kaufe mir eine einfache Ledekette mit einem kleinen Kreuz, dann steige ich den Pilgerweg mit den 12 Stationen der Leiden Christi hinauf. Ober angekommen finde ich ebenfalls zahlreiche Staende. Hier werden jedoch keine Marienbilder verkauft sondern Plastikautos in allen Formen, Modellhaeuser, Buendel von Spielgeld und jede Menge Bier.

Die Pilger kaufen diese Dinge, arangieren sie mehr oder weniger liebevoll auf wie Graeber anmutenden Parzellchen und begiessen dann alles mit Bier, bevor sie den Rest ausgelassen selbst trinken. Die katholischen Pilger bitten so Mamapancha um ihren Segen fuer's Auto, Haus oder Wohlstand der Familie.
Das Opfern von Bier fuer Mamapancha nimmt teilweise die Form von Champagnerdusche bei der Formel1 Siegerehrung an. Aber alle sind alkoholisiert ausgelassen und nehmen die Einbeziehung in die Furbtte gelassen.

Schliesslich geht mein Bus nach La Paz.
Wir rumpeln erneut in einem ominoesen Backpackerbus den See entlang, ueber Berghoehen und entlang von Feldern, die von zahlreichen Menschen mit Harken bestellt werden.
Wir muessen ueber eine Wasserenge des Sees uebersetzen. Der Bus wird auf abenteuerliche Holzbarkassen verladen, die es was von Landungsboot der Alleierten in der Normandie haben. Ohne Kiel oder Tiefgang schaukeln die Floesse mit Bussem, Lastern und Autos ueber das rauhe Wasser des Titikaka. Ich bin froh, dass wir aus Sicherheitsgruenden in kleine Boote mit Aussenborder umsteigen muessen. Aber auch hier frage ich mich, wie man beim Kentern des Boots wohl am besten die duenne Scheibe eintritt, um in's Freie zu gelangen - und wie lange man wohl im eiskalten Wasser des Sees schwimmen kann, bevor einen in 3.800m Hoehe die Kraft verlaesst.
Aber wir erreichen unversehrt das andere Ufer, und auch unser Bus schafft die schaukelige Ueberfahrt unbeschadet.
Wir setzen unsere Reise nach La Paz fort.
Endlich kommen wir an die Auslaeufer der Hauptstadt Boliviens und beginnen die Abfahrt entlange den Steilwaenden des Kessels, im dem La Paz liegt. Die unzaehligen unverputzten Haeuser, chaotisch ueber- und aneinander gebaut erinnert mich an das Loch von Isengard im Herr der Ringe, wo die ueberfiesen Uruk-hai gezuechtet werden.
Ein wahnsinniges Molloch, voller Menschen, Verkehr, Markt, Gewuehl und Gestank.
Ich nehme ein Taxi vom Busbahnhof zu meinem Hotel.
Ein paar Haeuser weiter finde ich eine Agentur, die quasi taeglich Besteigungen des beliebtesten 6.000er anbietet. Eine solche Besteigung wollte ich schon die ganze Zeit mit in meine Reise einbauen, war mir aber nie ganz klar, wo und wie.
Ich buche fuer den folgenden Morgen eine zwei Tages Tour zur Besteigung des Huayna Potosie, der mit seinen 6.088m zu einem der leichtesten 6.000ern gehoert.
Ich hoffe meine rund 10 Tage in Hoehen von 3.500 - 4.200m reichen an Aklimatisation fuer ein solches Unterfangen.

Dienstag, 16. November 2010

Zum Sonnentor von Machu Picchu

11. November 2010

Wir starten etwas spaeter, es soll der einfachste Tag des Trails werden. Wir haben keine riesigen Paesse zu ueberwinden, nur leichte Anhoehen zu nehmen. Wir sind guten Mutes und freuen uns auf ein Camp mit warmen Duschen!

Wir sehen tolle Inka Ruienen, die im Nebel der eingezogenen Wolken noch mystischer wirken.



Unser Camp, das letzte fuer diesen Trek, hat etwas von 70er Jahre Bergstation einer Seilbahn in Oesterreich und real existierendem Sozialismus des Ostens. Betonwaende mit Neonroehren, Plastiktische mit Gartenstuehlen. An der Kasse muss man sich Bons kaufen, um damit dann an der Bar ein Bier zu erhalten.
Die Duschen sind in der Tat warm - so warm wie es ein elektrischer Durchlauferhitzer im Duschkopf eben zulaesst.
Aber wir sind guter Stimmung und feiern ein bisschen unseren fast abgeschlossenen Trek ueber den Trail der Inka nach Machu Picchu.
Wir verabschieden uns mit einer kleinen Zeremonie von unseren Portern und Koechen, ohne die wir den Trek so nie geschafft haetten.
Dann gehen wir frueh schlafen, den morgen werden wir noch frueher als sonst aufstehen muessen.
Ich trete vor mein Zelt, es ist noch voellig dunkel und mondlos. Als ich in den Himmel schaue, werde ich schier erschlagen von der Anzahl der Sterne. Ich versuche den Grossen Wagen zu finden, aber in der Masse der Lichter am Himmel ist es schier unmoeglich etwas anzumachen. Die Milchstrasse zieht sich breiter Steifen aus winzigen Lichtern eingebettet in einen Nebel aus noch viel kleineren Punkten wie ein weisser Schal quer ueber das Firmament. Ich habe noch nie so viele Sterne auf einmal gesehen.
Kein Wunder, dass die Inka keine Bilder durch verbinden einzelner Lichtpunkte sahen, sondern vielmehr Figuren in den dunklen Bereichen des Himmels ausmachten. Hier ein Llama, dort einen Panther oder eine Schlange.

Wir muesse noch bis 5:30 am letzten Check Point des Trails warten und werden erst mit dem ersten Sonnenlicht auf die finale Etappe nach Machu Picchu gelassen.
Endlich wird der Trail von den Rangern freigegeben und wir machen uns - fast woertlich - zum Endspurt auf. Wir wollen so frueh wie moeglich am Sonnentor sein, noch vor den anderen Wanderern und die Touristen, die mit den ersten Bussen um fuenf Uhr aus dem Dorf Aguas Calientes hinauf zur verlorenen Stadt kommen.
Es ist ein grandioser Morgen mit strahlend blauem Himmel. Der Sonnengott der Inka Inti meint es gut mit uns.


12. November 2010
Wir werden um 3:30 geweckt - heute ohne Cocatee im Zelt.
Schnell packen wir unsere Sachen zusammen, damit die Porter das Camp abbrechen koennen. Sie muessen noch im Dunkeln den weg in's Tal antreten, um ihre Passage zurueck nach Cuzco zu schaffen.
Nach knapp zwei Stunden steigen wir den letzten Anstieg zu Intipunku, dem Sonnentor nach Machu Picchu, hinauf.
Und dann liegt sie vor uns, strahlend schoen in der jungen Sonne.
Machu Picchu, die Stadt in den Wolken.

Ein wahrhaft erhabener Moment, voller Euphorie.
In der dritten Klasse war auf dem Deckel unseres Erkundebuchs ein Bild - dieses Bild - von Machu Piccu "verlorene Stadt der Inka". Seit dem wollte ich diese sagenumwogene Stadt hoch oben den Anden Perus mit eigenen Augen sehen.
Ich kann es kaum fassen, dass es jetzt, kaum 28 Jahre spaeter, soweit ist.

Schnell machen wir noch ein Gruppenfoto und ein paar Schnappschuesse, die unseren harten Weg nach Intipunku zeigen sollen, bevor die anderen Wanderer des Trails eintreffen. Es wird voll am Sonnentor.


Wir steigen hinab nach Machu Picchu und sind ueberwaeltigt von Vielzahl der Haeuser aller Art, Tempel und Terassen zum Ackerbau. Alles auf der Sitze dieses Bergs auf ueber 2300m Hoehe, umgeben von schieren Felswaenden und Steilhaengen hinab zum Fluss Urubamba.

Wir erreichen den Checkpoint zum gegenueber gelegenen Berggipfel Huayna Picchu. Wir haben Glueck und duerfen als eine von 200 Besuchern direkt aufsteigen, um die Stadt ueber den Wolken aus einer ganz besonderen Perspektive zu sehen.
Wir lustwandeln noch weiter durch die Felsenstadt. Eigenartig nur, dass nur wenige Haeuser die kunstvolle Praezision bei der Zusammenfuegung der einzelnen Felsbloecke aufweist.

Wir geniessen die Atmosphaere - die Besucheranzahl haelt sich jetzt zur Nebensaison, kurz vor der Regenzeit, in Grenzen.

Ein letztes Gruppenfoto bevor wir am fruehen Nachmittag den Bus in's Tal nach Aguas Calientes nehmen.
Mir kommt es wie Betrug an der Sache vor, dass wir das letzte Stueck nun mit dem Bus fahren. Aber der Trail endete ja am Sonnentor weit ueber uns.


Urspuenglich war mein Plan noch eine weitere Nacht in Aguas Calientes zu bleiben und noch einmal nach Machu Picchu hinauf zu fahren.
Aber als ich das Dorf und mein teuer bezahltes Zimmer fuer die Extranacht sehe, beschliesse ich, mein Zugticket zu aendern und mit den anderen zurueck nach Cuzco zu fahren.
Es ist beeindruckend, wie vier Tage gemeinsam ertragene Strapazen und geteilte Euphorie vor kurzem noch ganz fremde Menschen zusammenschweissen koennen.
Ich will unser gemeinsames Abenteuer nicht allein in deinem Dreibettzimmer mit Fenster zum Hausflur enden lassen.

Auf der Fahrt mit dem Panoramazug die Schlucht des Urubamba hinauf beginnt es zu regnen. Ich teile meinen Wagon mit einer Gruppe englischer Renter, die die Fahrt im Zug ausgelassen feiern. Das Zugpersonal veranstaltet eine Modenschau mit Kleidung aus echter Alpaca Wolle, die Peru Rail onbord verkauft.
Ich haenge meinen Traeumen und Erinnerungen an den Trek und meiner neuen Freunde nach, die gemeinsam im Zug eine halbe Stunde vor mir sitzen.

Die anschliesse Taxifahrt von Ollantaytambo nach Cuzco wird ein Abendteuer fuer sich. Bei voelliger Dunkelheit und sintflutartigem Regen faehrt mein Fahrer die fast anderthalb-stuendige Strecke fast blind. Wie alle anderen auch hat er das Fernlicht eingeschaltet, um es erst 50m vor einem entgegenkommenden Fahreug abzublenden, aber noch bevor die Autos einander passiert haben wieder einzuschalten.
Voellig uebermuedet erreichen wir im stroemenden Regen das Hotel, in dem auch die meissten anderen unserer Gruppe wohnen. Aber als der Rest der Truppe eintrifft, sind alle zu muede, um unser gemeinsames Abenteuer noch etwas zu feiern.
So setze ich mich dann doch allein zu zwei aelteren Herren aus den Niederlanden an den offenen Kamin, trinke einen Cocatee und esse eine Kleinigkeit. Dann gehe auch ich schlafen.

Montag, 15. November 2010

Über den Inka Trail nach Machu Picchu

9. November 2010
Heute ist es soweit! Es ist 5:30 in Cuzco, es ist noch kalt und ruhig in der Stadt. Im fahlen Licht des fruehen Morgens fahren wir dem Bus durch die noch leeren Strassen und holen die anderen Mitglieder unserer Gruppe auf. Kate und Tom, Bonney und Mark aus Australien, die Mutter mit ihrer Tochter aus Ottawa, Kathy und Carsten, die jetzt gemeinsam in Lausanne leben und ich. Undere beiden Guides Orlando und Jose sind lustige Quechuan aus Cuzco.
Nach gut einer Stunde Fahrt halten wir zum gemeinsamen Fruehstueck und Einkauf letzter Ausruestung. Wir sind muede, aber trotzdem aufgekratzt in freudiger Antizipation des vor uns liegenden Abenteuers. Auch ich kaufe mir noch ein Paar Teleskopstoecke. Mit gut 10 Kilo im Rucksack sind 30 Dollar sicher gut investiert.
Dann kommen wir an den Trail Head. Wir machen uns fertig und nach einer gefuehlten Ewigkeit geht es endlich zum Check Point. Wir stempeln unsere Paesse mit "Camino Inka Control Piscacucho 9. Nov. 2010" und ueberqueren die Haengebruecke zum anderen Ufer des Urubamba.
Die ersten Kilometer fueher uns nur leicht bergauf, den Fluss stets in Sichtweite. Jose erklaert uns die Bedeutung der verschiedenen Inka Ruienen, denen wir unterwegs begegnen.
Am spaeten Nachmittag erreichen wir unser Camp fuer die erste Nacht. Unsere Porter haben die Zelte schon aufgebaut und Cocatee gekocht. Doch erst ruhen wir uns eine Weile aus. Wir sind trotz allem erschoepft von unserer ersten Etappe auf dem legendaern Weg der Inka.

10. November 2010
Der zweite und haerteste Tag des Treks beginnt um 4:30 mit einem Becher Mate de Coca im Zelt. Mir ist kalt von der Nacht im Zelt.
Nach dem Fruehstueck geht es los. Wir haben einen langen Aufstieg vor uns. Das erste Ziel fuer heute ist der Pass der Toten Frau mit ueber 4.200m. Die 1.000m Aufstieg werden wir noch vor dem Mittagessen machen. Der Weg fuehrt steil bergan, aber die dichten Baeume spenden uns Schatten. Die Kanadierin Chloe und ich haben uns als gutes Team herausgestellt. Langsam aber stetig nehmen wir jeden Schritt einzeln. Die duenne Luft macht uns zu schaffen und macht jeden Schritt zu einer Strapaze. Ich konzentriere mich nur auf meine Atmung und den naechsten Schritt. Mein Rucksack sitzt schwer auf meiner Huefte und erschwert jeden Schritt. Ich bin froh um meine Hikeing Poles, die mir helfen das Gleichgewicht zu halten. Ich hoere Chloe hinter mir atmen und mache den naechsten Schritt.
Endlich ist die Passkrone in Sicht, aber wir haben noch ein gutes Stueck vor uns. Der Hoehenmesser an meiner Uhr zeigt 3.980m an. Nur noch gut 200 Hoehenmeter und wir haben den schwersten Anstieg des Trails geschafft.
Nach einer gefuehlten Ewigkeit liegt die Passhoehe unmittelbar vor uns. Ich hoere schon die Rufe von Kathy und Carsten, die den Weg ohne Zwischenstop aufgestiegen sind. Dann erreichen wir die Krone. Kalter Wind blaest uns entgegen, aber wir spueren ihn fast nicht. Ich bin erschoepft, durstig aber vor allem gluecklich die Passhoehe erreicht zu haben.
Der nun folgende Abstieg ist weniger anstrengend, fordert dafuer um so mehr Konzentration. Die Stufen sind tief und ungleichmaessig. Ich muss aufpassen, nicht umzuknicke. Es ist frustrierend die eben noch so muehsam erkaempften Hoehenmeter jetzt wieder derart zu verschenken, nur um sie nach dem Mittagsstop beim zweiten grossen Anstieg auf 3.800m wieder qualvoll zurueck zu erobern.
Schwer geschafft, aber erstaunlicherweise nicht so schlimm wie befuerchtet, erreichen wir unser Camp. Die Porter haben bereits wieder alles hergerichtet. Sie sind bei den Anstiegen mit einer Leichtigkeit an uns vorbei gezogen, die uns an uns hat zweifeln lassen. Bei den Abstiegen sind sie gar von einer Stufe zur anderen springend an uns vorbei gerannt.
Mit einsetzendem Regen treffen wir uns zum Abendessen im Zelt. Wir sind erschoepft aber auch euphorisch von unserer Tagesleistung. Morgen liegt ein einfacher Tag vor uns, aber wir gehen trotzdem kurz nach dem Essen schlafen.
Muede vom langen Marsch liege ich in meinem Zelt, der Regen prasselt unaufhoerlich auf das Dach. Ich hoffe, das Zelt haelt dicht, schliesse mene Augen und schlafe augenblicklich ein.